2.11.2017
Ob der Überflug des so genannten Camp Reddelich am 5. Juni 2007 durch ein Kampfflugzeug der Bundeswehr des Typs Tornado rechtswidrig war und Personen, die sich – wie die Kläger – zum Zeitpunkt des Überfluges in dem Camp aufhielten, in ihren Rechten verletzt hat, bedarf der weiteren Aufklärung. Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, mit denen es die Feststellungsklagen der Kläger abgewiesen hatte, aufgehoben und die Sachen an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Überflug und die Anfertigung der Aufnahmen als Teilakte einer einheitlichen Gefahrerforschungsmaßnahme
Faktischer Eingriff
Ein faktischer Eingriff ist jedenfalls dann gegeben, wenn das staatliche Handeln einschüchternd oder abschreckend wirkt bzw. geeignet ist, die freie Willensbildung und die Entschließungsfreiheit derjenigen Personen zu beeinflussen, die an Versammlungen teilnehmen wollen. Dies kann nur aufgrund einer Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden, bei der nicht die subjektive Bewertung einzelner konkret betroffener Personen maßgeblich, sondern ein objektiver Beurteilungsmaßstab anzulegen ist. Betrifft die staatliche Maßnahme nicht eine laufende Versammlung, sondern lediglich den geschützten Vorfeldbereich, ist bei der Gesamtwürdigung ein umso strengerer Maßstab anzulegen, je größer die räumliche oder zeitliche Entfernung zu der geschützten Versammlung ist und je weniger für die späteren Versammlungsteilnehmer daher ein Bezug der Maßnahme zu der späteren Versammlung erkennbar ist. Nach diesem Maßstab hatte der Überflug des Kampfflugzeuges über das Camp in einer Höhe von nur 114 m aus der Sicht eines durchschnittlichen Betroffenen im Hinblick auf die extreme Lärmentfaltung, den angsteinflößenden Anblick und die Überraschungswirkung im Kontext der Vorbereitung der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel einschüchternde Wirkung.
Der Überflug stellte keinen vom Grundgesetz verbotenen Einsatz der Streitkräfte im Inneren dar und war nicht aus diesem Grund rechtswidrig. Da der Überflug lediglich der anderweitig nicht möglichen Aufklärung der Sachlage durch Luftbilder im Vorfeld der Feststellung einer konkreten Gefahr diente, ist er als technische Unterstützungsleistung der Bundeswehr im Wege der Amtshilfe für die Sicherheitsbehörden anzusehen. Ob der Überflug als Maßnahme der Gefahrerforschung auf der Grundlage des Landespolizeirechts gerechtfertigt war, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprach, konnte das Bundesverwaltungsgericht auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht abschließend entscheiden.
BVerwG 6 C 45.16 – Urteil vom 25. Oktober 2017
Vorinstanzen:
OVG Greifswald, 3 L 13/12 – Urteil vom 15. Juli 2015 –
VG Schwerin, 1 A 799/07 – Urteil vom 29. September 2011 –
BVerwG 6 C 46.16 – Urteil vom 25. Oktober 2017
Vorinstanzen:
OVG Greifswald, 3 L 9/12 – Urteil vom 15. Juli 2015 –
VG Schwerin, 1 A 1180/07 – Urteil vom 29. September 2011 –
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.10.2017