Donnerstag, 25.01.2018
Herr Maximilian Schrems kann nicht als Zessionar von Ansprüchen anderer Verbraucher den Verbrauchergerichtsstand in Anspruch nehmen, um die abgetretenen Ansprüche geltend zu machen. Das hat der EuGH heute entschieden. Herr Schrems kann dagegen wegen eigener Ansprüche in Österreich Klage gegen Facebook Ireland erheben.
Herr Schrems, der in Österreich wohnt, hat vor den österreichischen Gerichten Klage gegen Facebook Ireland (im Folgenden: Facebook) erhoben.Er wirft Facebook zahlreiche Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen im Zusammenhang mit seinem privaten Facebook-Konto und den Konten von sieben weiteren Nutzern vor (darüber hinaus hat sich Schrems die Ansprüche von über 25.000 Personen aus der ganzen Welt abtreten lassen, um sie gerichtlich geltend zu machen), die ihm ihre Ansprüche zwecks Klageerhebung abgetreten haben.
Bei den sieben anderen Nutzern soll es sich ebenfalls um Verbraucher handeln, die in Österreich, Deutschland und Indien wohnen.
Herr Schrems begehrt von den österreichischen Gerichten insbesondere die Feststellung der Unwirksamkeit bestimmter Vertragsklauseln sowie die Verurteilung von Facebook zur Unterlassung der Verwendung der streitgegenständlichen Daten zu eigenen Zwecken bzw. zu Zwecken Dritter sowie zur Leistung von Schadenersatz.
Facebook, Zuständigkeit der österreichischen Gerichte
Facebook bestreitet die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Ihrer Ansicht nach kann Schrems nicht die unionsrechtliche Regel in Anspruch nehmen, die es Verbrauchern erlaubt, einen ausländischen Vertragspartner vor den Gerichten ihres Wohnsitzes zu verklagen (im Folgenden: Verbrauchergerichtsstand). Da Schrems nämlich Facebook auch beruflich nutze, könne er nicht als Verbraucher angesehen werden. Auf die abgetretenen Ansprüche sei der Verbrauchergerichtsstand nicht anwendbar, da er nicht übertragbar sei. Vor diesem Hintergrund ersucht der Oberste Gerichtshof (Österreich) den EuGH um Klarstellung der Voraussetzungen für die Geltendmachung des Verbrauchergerichtsstands.
Verbrauchergerichtsstand
Vor diesem Hintergrund ersucht der Oberste Gerichtshof (Österreich) den Gerichtshof um Klarstellung der Voraussetzungen für die Geltendmachung des Verbrauchergerichtsstands,
Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass der Nutzer eines privaten Facebook-Kontos die Verbrauchereigenschaft nicht verliert, wenn er Bücher publiziert, Vorträge hält, Websites betreibt, Spenden sammelt und sich die Ansprüche zahlreicher Verbraucher abtreten lässt, um sie gerichtlich geltend zu machen.
Dagegen kann der Verbrauchergerichtsstand nicht für die Klage eines Verbrauchers in Anspruch genommen werden, mit der er am Klägergerichtsstand nicht nur seine eigenen Ansprüche geltend macht, sondern auch Ansprüche, die von anderen Verbrauchern mit Wohnsitz im gleichen Mitgliedstaat, in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten abgetreten wurden.
Zur Einstufung als Verbraucher führt der Gerichtshof aus, dass der Verbrauchergerichtsstand grundsätzlich nur dann Anwendung findet, wenn der Zweck des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags nicht in der beruflichen oder gewerblichen Verwendung des Gegenstands oder der Dienstleistung besteht, auf die sich der Vertrag bezieht. Bei Diensten eines sozialen Online-Netzwerks, die auf eine langfristige Nutzung ausgelegt sind, ist die weitere Entwicklung der Nutzung der betreffenden Dienste zu berücksichtigen.
Somit könnte sich ein Kläger, der solche Dienste nutze, nur dann auf die Verbrauchereigenschaft berufen, wenn die im Wesentlichen nicht berufliche Nutzung dieser Dienste, für die er ursprünglich einen Vertrag abgeschlossen hat, später keinen im Wesentlichen beruflichen Charakter erlangt hat.
Da der Verbraucherbegriff aber in Abgrenzung zum Unternehmerbegriff definiert wird und von den Kenntnissen und Informationen, über die die betreffende Person tatsächlich verfüge, unabhängig ist, nehmen ihr weder die Expertise, die diese Person im Bereich der betreffenden Dienste erwerben kann, noch ihr Engagement bei der Vertretung der Rechte und Interessen der Nutzer solcher Dienste die Verbrauchereigenschaft. Eine Auslegung des Verbraucherbegriffs, die solche Tätigkeiten ausschließt, würde nämlich darauf hinauslaufen, eine effektive Verteidigung der Rechte, die den Verbrauchern gegenüber ihren gewerblichen Vertragspartnern zustehen, einschließlich der Rechte auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten zu verhindern.
Hinsichtlich der abgetretenen Ansprüche weist der EuGH darauf hin, dass der Verbrauchergerichtsstand zum Schutz des Verbrauchers als Partei des betreffenden Vertrags geschaffen wurde. Daher ist der Verbraucher nur geschützt, soweit er persönlich Kläger oder Beklagter in einem Verfahren sei. Folglich könne der Verbrauchergerichtsstand einem Kläger, der selbst nicht an dem betreffenden Verbrauchervertrag beteiligt sei, nicht zugutekommen. Dies gilt auch für einen Verbraucher, dem Ansprüche anderer Verbraucher abgetreten wurden.
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 7/2018 vom 25.01.2018