Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am heutigen 19.02.2015 die Klagen von Bohlen und Ernst August von Hannover zurückgewiesen. Es ging um satirische Zigarettenwerbung von Lucky Strike, bei der die Vornamen von Bohlen und Ernst August benutzt wurden. Die Namensverwendung hatte der Bundesgerichtshof (BGH) als zulässig bewertet. Zu Recht, wie der EGMR heute bestätigt hat.
I. Dieter Bohlen – „Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“
In der Entscheidung des BGH vom 5.6.2008 ging es um folgende Werbung:
Dieter Bohlen „veröffentlichte im Jahre 2003 das Buch „Hinter den Kulissen“. Mehrere Gerichtsverfahren führten dazu, dass verschiedene Textpassagen dieses Buches geschwärzt werden mussten.
Die Beklagte ist das deutsche Tochterunternehmen eines international tätigen Tabakkonzerns. Sie warb am 27. Oktober 2003 – ohne Einwilligung des Klägers – in dem Wochenmagazin „Der Spiegel“ sowie in der Tageszeitung „Bild“ für ihre Zigaretten „Lucky Strike“ mit einer nachstehend verkleinert wiedergegebenen ganzseitigen Anzeige, in der zwei Zigarettenschachteln abgebildet sind, an denen ein schwarzer Filzstift lehnt:
An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.
In der über der Abbildung befindlichen Textzeile „Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“ wurden die Wörter „lieber“, „einfach“ und „super“ geschwärzt, ohne sie hierdurch unleserlich zu machen.“, BGH, aus dem Tatbestand des Urteils vom 5.6.2008, Az. I ZR 223/05.
Bohlen forderte damals 100.000 Euro wegen der Werbung mit seinem Namen. Der BGH lehnte das ab und bewertete die Werbung als zulässig:
„Die Werbeanzeige greift vielmehr, wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, in humorvoller Weise die Buchveröffentlichung des Klägers auf und thematisiert im zeitlichen Zusammenhang mit diesem Ereignis und der darüber in den Medien geführten Diskussion mit der Frage der Sorgfalt der Überprüfung vor der Veröffentlichung ein Thema von öffentlichem Interesse. Sie ist daher Teil der öffentlichen Auseinandersetzung über die Art und Weise der Buchveröffentlichung des Klägers.“
Das Interesse von Bohlen, ohne seine Einwilligung in der Werbeanzeige nicht genannt zu werden, musste daher gegenüber der Ausübung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit zurücktreten.
II. Ernst August von Hannover – „War das Ernst? Oder August?“
Ebenso entschied der BGH in dem Urteil vom 05.06.2008, I ZR 96/07, zu einer Ernst August von Hannovers Namen verwendenden Werbung. Das Gericht schildert im Tatbestand:
„Der Kläger ist Repräsentant des Hauses Hannover. Er war im Jahre 1998 in eine körperliche Auseinandersetzung mit einem Kameramann vor seinem Gut Calenberg verwickelt, bei der er den Kameramann mit einem Regenschirm schlug. Ferner wurde in der Presse im Januar 2000 über eine Auseinandersetzung des Klägers mit einem Diskothekenbesitzer auf der vor der Küste Kenias gelegenen Insel Lamu berichtet.
Die Beklagte zu 1 ist das deutsche Tochterunternehmen eines international tätigen Tabakkonzerns. Die Beklagte zu 2 ist eine Werbeagentur. Die Beklagte zu 1 warb ab dem 27. März 2000 – ohne Einwilligung des Klägers – ganzseitig in verschiedenen bundesweit erscheinenden Publikationen sowie auf Werbeplakaten mit einem nachstehend verkleinert wiedergegebenen Werbemotiv, das unter der Textzeile „War das Ernst? Oder August?“ eine allseits eingedrückte, leicht geöffnete Zigarettenschachtel zeigt.“
Auch entschied der BGH: Das Interesse von Ernst August von Hannover wog weniger als Art. 5 Abs. 1 GG:
„Das beanstandete Werbemotiv der Beklagten befasst sich, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, in satirisch-spöttischer Form mit den durch die Darstellung der verbeulten Zigarettenpackung in Bezug genommenen Verhaltensweisen des Klägers bei den tätlichen Auseinandersetzungen vor dem Gut Calenberg sowie auf der Insel Lamu. Über diese Vorfälle war in den Medien wiederholt mit Namensnennung und Abbildung des Klägers berichtet worden, weil wegen der Beziehung des Klägers zu der Tochter des damaligen Fürsten von Monaco ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an diesen Ereignissen bestand. Die Bekanntheit einer Person im öffentlichen Leben kann ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründen, das es rechtfertigen kann, über bestimmte Verhaltensweisen dieser Person auch mit Namensnennung und Abbildung zu berichten. (…) Einer Berichterstattung mit Namensnennung und Abbildung über solche Ereignisse von gesellschaftlicher Relevanz steht auch nicht der Schutz der Privatsphäre nach Art. 8 EMRK (…).
Obwohl die Beklagten die tätlichen Auseinandersetzungen des Klägers vor seinem Gut Calenberg und auf der Insel Lamu im Rahmen einer Werbekampagne aufgegriffen haben, können sie sich folglich gleichwohl auf den besonderen Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen.“
III. EGMR
Der EGMR bestätigte in beiden Fällen die Interessenabwägung – Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Europäische Menschenrechtskonvention) sein nicht verletzt. In der Pressemitteilung von heute schreibt der EGMR:
„The Court found in particular that the German Federal Court of Justice had struck a fair Balance between freedom of expression and the right to privacy by taking into account the commercial and humorous nature of the advertisements in question, the context in which they had been published, the absence of any degrading or negative content concerning the applicants and the applicants’ Prior public conduct. A thorough balancing exercise had therefore been carried out between the competing interests at stake.“
Rechtsanwältin Amrei Viola Wienen, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht
Wirtschaftsmediatorin (IHK)
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