04.07.2016

„Die identifizierende Schilderung des Werdegangs eines wegen seiner Vorgehensweise bereits bestraften Dschihadisten, der die Strafe weitgehend verbüßt hat und wegen des Strafrestes unter Bewährung steht, ist wegen der Gefährdung einer möglichen Resozialisierung nicht zulässig und zu unterlassen.“ Das ist der Leitsatz der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.05.2016, 16 U 198/15.

Das Gericht bezieht sich auf die Ausführung des Bundesverfassungsgerichts in der ersten Lebach-Entscheidung. Danach ist eine öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters zwangsläufig eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar. Denn das Fehlverhalten des Täters wird öffentlich bekannt gemacht und seine Person wird in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert. Auf der anderen Seite gehören Straftaten zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist.

Unterschieden wird nun zwischen dem Zeitpunkt der identifizierenden Berichterstattung:

Aktuelle Berichterstattung

Bei der aktuellen Berichterstattung über Straftaten überwiegt generell das Informationsinteresses an einer entsprechenden den Täter nennenden Berichterstattung dessen damit zwangsläufig beeinträchtigtes Persönlichkeitsrecht.

Zunehmende zeitliche Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren

Je mehr Zeit zur Straftat und zum Strafverfahren vergeht, desto weiter tritt das Interesse und Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit über diesen Fall unter namentlicher Erwähnung unterrichtet zu werden zurück.

„Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Strafverfolgung und strafgerichtlichen Verurteilung die im Interesse des öffentlichen Wohls gebotene gerechte Reaktion der Gemeinschaft erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, so lassen sich darüber hinausgehende fortgesetzte oder wiederholte Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich des Täters im Hinblick auf sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne Weiteres rechtfertigen [BVerfG aaO., S. 1231].“, so das OLG Frankfurt am Main.

Resozialisierungsinteresse

Allerdings gibt es keine fest umrissene Frist als zeitliche Grenze zwischen der grundsätzlich zulässigen aktuellen Berichterstattung und einer unzulässigen späteren Darstellung oder Erörterung nach dem BVerfG.

Das entscheidende Kriterium sieht das BVerfG darin,  „ob die betreffende Berichterstattung gegenüber der aktuellen Information eine erhebliche neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken geeignet ist. Insoweit nennt das BVerfG als maßgeblichen Orientierungspunkt für die nähere Bestimmung der zeitlichen Grenze das Interesse an der Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft, d.h. an seiner Resozialisierung, deren entscheidendes Stadium mit der Entlassung beginnt.“, so das OLG Frankfurt am Main.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei dem Landgericht darin beizupflichten, dass eine Identifizierbarkeit des Klägers im Zusammenhang mit der Berichterstattung über seine früheren Straftaten in dem streitgegenständlichen Buch nicht gerechtfertigt sei, auch wenn es sich aufgrund der Art und Schwere der Straftat nach § 129 a und b StGB und der Begleitumstände durchaus um einen aus dem durchschnittlichen Geschehen herausgehobenen gravierenden Kriminalfall gehandelt haben würde. Bei der gebotenen Güter- und Interessenabwägung müsse die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Berichterstattungsfreiheit der Beklagten und das von ihr verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorliegend hinter dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und an der Achtung seines Privatlebens zurücktreten, insbesondere im Hinblick auf sein Resozialisierungsinteresse.

Die nicht mehr im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Strafverfahren stehende Darstellung würde zu einer erheblichen neuen oder zusätzlichen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes auf Seiten des Klägers, die dieser nicht hinnehmen müsse.

Berichterstattung und Interessen

Bei der Frage der Zulässigkeit der Berichterstattung werden im Einzelfall die jeweiligen Interessen  abgewogen.

Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 I GG i.V.m. Art. 2 I GG ist ein Rahmenrecht. Daher wird das durch die Berichterstattung betroffene Persönlichkeitsrecht desjenigen, über den berichtet wird, mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, und dem  Recht auf freie Meinungsäußerung abgewogen.

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