Am 01.03.2016 hat der BGH eine wegweisende Entscheidung zu Bewertungsportalen im Internet gefällt.

Mit der Grundsatzentscheidung „zeichnet sich ein entscheidender Richtungswechsel für Bewertete an: Portalbetreiber werden klar auf ihre erhebliche Verantwortung und auf ihre besonderen Pflichten hingewiesen. Die Entscheidung eignet sich als Argumentationsgrundlage für diejenigen, die sich gegen rechtswidrige Bewertungen verteidigen“, Amrei Viola Wienen in „BGH: Schärfere Prüfung von Portalbetreibern bei rechtswidrigen Bewertungen“, MMR 6/2016, 377549, Printausgabe, Verlag C.H. Beck.

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Anwaltskanzlei Wienen

In dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.03.2016, VI ZR 34/15, ging es um eine Bewertung eine Zahnarztes, der eine Zahnarztpraxis mit insgesamt zehn Ärzten und 60 nichtärztlichen Angestellten betreibt.

 Ein anonymer Nutzer stellte in der Rubrik „Bewertung für Dr. H. [Nachname des Zahnarztes]“ eine den Zahnarzt betreffende Bewertung in das Portal Jameda ein.

Nach dem hervorgehobenen Hinweis „Ich kann Dr. H. [Nachname des Klägers] nicht empfehlen“ bemerkte der Nutzer: „Leider ist es einfach, eine positive Bewertung zu schreiben, eine negative dagegen ist – auch rechtlich – schwierig, weshalb ich für die Bewertung auf die Schulnotenvergabe verweise, welche ich mir sorgfältigst überlegt habe“.

Im folgenden Abschnitt „Notenbewertung dieses Patienten“ wurde die Gesamtnote 4,8 genannt, die sich aus den von dem genannten Nutzer in den vorbezeichneten fünf Kategorien vergebenen Einzelnoten, darunter jeweils die Note 6 für „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“, ergab.“, BGH, Urteil vom 01.02.2016, VI ZR 34/15.

Der Zahnarzt verlangte die Löschung der Bewertung.

Er führte aus, „bei der angegriffenen Bewertung gebe „sich erkennbar jemand Mühe, jegliche tatsächliche Aussage zu vermeiden“. Es liege nahe, dass dies seinen Grund darin habe, dass es eine solche Behandlung überhaupt nicht gegeben habe.“

Jameda lehnte die Löschung ab – und verletzte Prüfungspflichten, so der BGH:

„Im Streitfall hätte die Beklagte die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und diesen zur Stellungnahme anhalten müssen. Sie hätte ihn weiter auffordern müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa vorhandene Rechnungen, Terminkarten und -zettel, Eintragungen in Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien möglichst umfassend – soweit vom Bewertenden für nötig erachtet ggf. teilweise geschwärzt – zu übermitteln. Die bloße Bitte der Beklagten, „die Behandlung in mindestens zwei Sätzen [zu] umschreiben und den Behandlungszeitraum [zu] nennen„, reicht hierfür nicht. In jedem Falle hätte die Beklagte dem Kläger diejenigen Informationen und Unterlagen über den behaupteten Behandlungskontakt weiterleiten müssen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre. Auch dies hat sie nicht getan.(…).“, BGH, a.a.O.

In den Leitsätzen schreibt der BGH zu seinem Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15:

 Ein Hostprovider ist zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern ins Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von den Rechtsverletzungen erlangt.

2. Ist der Hostprovider mit der Behauptung eines Betroffenen konfrontiert, ein von einem Nutzer eingestellter Beitrag verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht, und ist die Beanstandung so konkret gefasst, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, so ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich.

3. Zur Bestimmung, welcher Überprüfungsaufwand vom Hostprovider im Einzelfall zu verlangen ist, bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung, bei der die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen sind. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu. Zu berücksichtigen sind aber auch Funktion und Aufgabenstellung des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des für die persönlichkeitsbeeinträchtigende Aussage unmittelbar verantwortlichen – ggf. zulässigerweise anonym auftretenden – Nutzers.

4. Der vom Betreiber eines Arztbewertungsportals verlangte Prüfungsaufwand darf den Betrieb des Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren, hat aber zu berücksichtigen, dass eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen von betroffenen Ärzten durch den Portalbetreiber eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass die Persönlichkeitsrechte der (anonym oder pseudonym) bewerteten Ärzte beim Portalbetrieb hinreichend geschützt sind.

Wer gegen Fake-Bewertungen vorgehen will, sei es ein großes Unternehmen oder zum Beispiel ein einzelner Arzt in einer Praxis, hat jetzt deutlich bessere Chancen. Denn das Urteil konkretisiert die Prüfungspflichten von Portalbetreibern.

„Unternehmer können sich über die neue Entscheidung freuen: Sie können sich nun leichter gegen insbesondere gefälschte Bewertungen verteidigen.

In Bezug auf die verschärften Prüfpflichten müssen Portalbetreiber Prüfprozesse durchleuchten bzw. anpassen. Gerade wegen der Option anonymer Bewertungen ist das Vorgehen gegen rechtswidrige Bewertungen für Unternehmen schwierig. Bewertungsportale bergen die Gefahr, für nicht unerhebliche persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen missbraucht zu werden.

Persönlichkeitsrechte der Bewerteten können nur geschützt werden, wenn Portalbetreiber Beanstandungen von Bewerteten sorgfältig prüfen.“, zitiert aus „Online Reputation Management und Rechtsprechung zu Bewertungsportalen“, Editorial des Betriebs-Beraters, BB 25/2016,  Ausgabe v. 20.6.2016, Deutscher Fachverlag GmbH, Amrei Viola Wienen.

Darüber hinaus stärkt der BGH Bewerteten mit der Entscheidung grundsätzlich den Rücken. Portalbetreiber haben ihrer Verantwortung gerecht zu werden und müssen gewissenhaft Beschwerden prüfen bzw. rechtswidrige Bewertungen löschen.

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