Eine Klage gegen einen Familienvater in einer „Filesharing-Sache“ wegen Abmahnkosten hat das AG Düsseldorf abgewiesen: Dass die Ehefrau und die zwei volljährigen Kinder im gleichen Haushalt wohnten und auch freien Zugang zu dem Internetanschluss des Vaters hatten, reichte, um ihn zu entlasten.

Es traf ihn auch keine „umfangreiche Recherchepflicht“, wer als Täter in Betracht gekommen sein könnte:

„Es würde das Zeugnisverweigerungsrecht und auch den besonderen Schutz des Instituts der Familie ad absurdum führen, wenn den Anschlussinhaber als Vater eine umfangreiche Recherchepflicht innerhalb seiner Familie treffen würde, wer als Täter einer Rechtsverletzung in Betracht kommt. Im Hinblick auf den Rechtsgedanken des  § 284 Nr. 1 ZPO erscheint es schon zweifelhaft, ob den Anschlussinhaber die Verpflichtung trifft, das positive Ergebnis einer Befragung, wonach ein naher Familienangehöriger die Täterschaft zugegeben hat, mitzuteilen; keinesfalls treffen den Anschlussinhaber jedoch weitergehende Recherchepflichten, wenn – wie hier – die Befragung das Ergebnis erbracht hat, dass kein Mitnutzer die Rechtsverletzung zugegeben hat. Es ist schon unklar, welche weitergehenden Recherchemöglichkeiten – erst recht gegenüber volljährigen Mitnutzern – bestehen sollen, im Übrigen ist eine weitergehende Druckausübung auf Familienmitglieder, um der Klägerin einen möglichen neuen Anspruchsgegner zu verschaffen, auch unzumutbar, weswegen die sekundäre Darlegungslast entsprechende Maßnahmen auch nicht fordern kann.“, AG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2014, 57 C 1312/14.

Das Urteil des AG Düsseldorf vom 25.11.2014, 57 C 1312/14, finden Sie hier im Volltext:

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin gestattet das Gericht, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer behaupteten Verbreitung des Filmwerkes „…“, an dem der Klägerin die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte zustehen, auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch.

Mit Abmahnschreiben vom 24.09.2012 forderte die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten den Beklagten als Inhaber des unter der Anschrift X-Strasse in E gelegenen Internetanschlusses auf, es zu unterlassen, das Filmwerk „…“ der Klägerin im Internet verfügbar zu machen wie dies am 08.01.2012 um 16:33:56 über die IP-Adresse … geschehen sei. Für die Einzelheiten wird auf Anlage K8 Bezug genommen.

Mit dem Beklagten in häuslicher Gemeinschaft lebten im Zeitpunkt der Rechtsverletzung dessen Ehefrau S sowie die volljährigen Kinder S2 und S3. Diese hatten freien Zugriff auf den Internetanschluss.

Die Klägerin behauptet,

die in Anlage K8 genannte IP-Adresse sei zu diesem Zeitpunkt dem Anschluss des Beklagten zugeordnet gewesen und dieser habe oben genannte Werke über ein Filesharing-Netzwerk verbreitet.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag von 1.005,40 Euro (Kosten der Abmahnung vom 24.09.2012) zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Amtsgericht Düsseldorf ist örtlich zuständig gemäß §§ 104a UrhG, 13 ZPO.

Die Klage ist unbegründet.

Eine Haftung als Täter aus § 97 Abs. 2 UrhG ergibt sich nicht, da nicht feststeht, dass der Beklagte Täter der behaupteten Rechtsverletzung war. Gemäß der Bearshare-Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht zunächst eine durch den Anschlussinhaber zu widerlegende tatsächliche Vermutung seiner Alleinnutzung, die bereits dann widerlegt ist, wenn weitere Personen freien Zugriff auf den Anschluss hatten. Zusätzlich trifft den Anschlussinhaber sodann eine sekundäre Darlegungslast dahingehend vorzutragen, dass weitere Mitnutzer ernsthaft als mögliche Täter in Betracht kommen, in diesem Umfang trifft den Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch eine Recherchepflicht, eine Veränderung der Beweislast ist mit dieser sekundären Darlegungslast nicht verbunden, vielmehr ergibt diese sich ausschließlich daraus, dass der Vortrag von Tatsachen geboten ist, die für die Beklagtenseite leicht vortragbar sind, während sie sich der Sphäre der beweisbelasteten Klägerseite entziehen (BGH NJW 2014, 2360).

Die tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung des Anschlusses durch den Beklagten ist bereits dadurch widerlegt, dass gemäß unbestrittener Angaben des Beklagten die Ehefrau S sowie die volljährigen Kinder S2 und S3 im Haushalt des Beklagten wohnen und freien Zugriff auf den Internetzugang hatten. Weitergehender Feststellungen, insbesondere zum Umfang der zeitlichen Nutzung des Anschlusses, bedarf es zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung nicht. Die Begründung einer tatsächlichen Vermutung ist nämlich nur dann zulässig, wenn ein gesicherter Erfahrungssatz vorliegt, der mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die vermutete Tatsache schließen lässt (Musielak JA 2010, 561 (565)). Wird ein Internetanschluss nicht nur vom Anschlussinhaber genutzt, sondern darüber hinaus unbeaufsichtigt von weiteren Personen, spricht – unabhängig von der Frage der Nutzung des Internetanschlusses an einem bestimmten Tag – die Lebenserfahrung nicht mehr dafür, dass lediglich der Anschlussinhaber als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt, denn schon die abstrakte Zugriffsmöglichkeit lässt unabhängig von der tatsächlichen Nutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt die Grundlage des vom BGH angenommenen Erfahrungssatzes, dass der Anschlussinhaber als typischer Alleinnutzer anzusehen sei, entfallen (siehe auch die wörtlichen Ausführungen in BGH NJW 2014, 2360: „Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten…“; für den Wegfall der tatsächlichen Vermutung genügt also bereits die reine Zugriffsmöglichkeit; siehe auch bereits zur selben Frage AG Düsseldorf 57 C 13895 / 12 vom 14.10.2014).. Darüber hinaus lässt bereits das gemeinsame familiäre Zusammenleben im Haushalt die Grundlagen der tatsächlichen Vermutung entfallen, denn es entspricht im Gegenteil der Lebenserfahrung, dass im Haushalt des Anschlussinhabers lebende weitere Personen – erst recht, wenn es sich um die Ehefrau und volljährige eigene Kinder handelt – freien Zugriff auf einen dort vorhandenen Internetanschluss haben und hiervon auch Gebrauch machen.

Der Beklagte ist auch der ihm als Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast, Umstände vorzutragen, die die ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft eines weiteren Mitnutzers eröffnen, nachgekommen. Hierzu genügen die Angaben, dass die Ehefrau S den PC des Beklagten 1-2 Stunden täglich nutzte und hierbei neben Emailverkehr auch Webseiten besuchte und Kommunikation per Facebook betrieb, der Sohn S3 den Internetanschluss des Beklagten mehrere Stunden täglich über einen eigenen Rechner nutzte und hierbei regelmäßig auf Facebook , Youtube und Skype zugriff sowie die Tochter S2 über einen eigenen Laptop verfügte und den Internetanschluss mehrere Stunden täglich zum Lernen für ihr Studium sowie zum Kommunizieren in sozialen Netzwerken nutzte. Wird einer Partei eine sekundäre Darlegungslast auferlegt, so ist Grundlage hierfür der Umstand, dass bestimmte Tatsachen in der Sphäre des Gegners liegen und daher nur diesem, nicht aber der beweisbelasteten Partei, zugänglich sind (ständige Rechtsprechung, BGH NJW 1999, 1404 (1406); BGH NJW 2008, 982 (984); Beck-OK-ZPO-Bacher § 284 Rn. 84). Der Umfang der sekundären Darlegungslast hat sich daher auf diejenigen Informationen zu beschränken, die in der Sphäre des Anschlussinhabers zugänglich sind und zumutbar vorgetragen werden können; keinesfalls dürfen überspannte Anforderungen an dieser Stelle im Ergebnis zu einer Beweislastverschiebung führen, denn anders als eine tatsächliche Vermutung soll die Auferlegung einer sekundären Darlegungslast dies gerade nicht bewirken. Aus den Angaben zur inhaltlichen und zeitlichen Nutzung des Anschlusses durch die Ehefrau sowie die beiden volljährigen Kinder ergibt sich, dass diese im Rahmen ihrer üblichen Nutzungsdauer zeitlich in der Lage waren, einen Filesharingclient zu installieren und zu bedienen, ferner legt die regelmäßige Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook es auch nahe, dass die Mitnutzer von ihren Internetkenntnissen her zu einer solchen Installation in der Lage waren, da es sich bei einem Filesharingclient um ein typisches Windowsprogramm handelt, dessen Installation keine besonderen Fachkenntnisse erfordert. Weitergehender Vortrag, insbesondere dazu, welche Personen zu den Zeitpunkten der behaupteten Rechtsverletzungen den Anschluss tatsächlich genutzt haben, ist hingegen im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht geboten. Im Hinblick auf die Alltäglichkeit der Computernutzung und die üblicherweise fehlende Buchführung hierzu handelt es sich hierbei nicht um Umstände, die üblicherweise in der Sphäre des Anschlussinhabers zur Verfügung stehen, weswegen Darlegungen hierzu nicht gefordert werden können. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beklagte mit Zusendung der Abmahnung vom 24.09.2012 auf die behauptete Rechtsverletzung aufmerksam gemacht worden ist, denn bereits nach Ablauf von mehr als 8 Monaten seit der behaupteten Rechtsverletzung ist nicht mehr aufklärbar, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt den familiären Internetanschluss genutzt hat. Weitergehende Aufklärungspflichten, insbesondere bezüglich einer nachträglichen Feststellung der Person des Täters, treffen den Anschlussinhaber jedenfalls im familiären Umfeld nicht. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner zitierten Bearshare-Entscheidung hier auf das Transportrecht verweist, soll dies lediglich deutlich machen, dass generell Aufklärungspflichten bestehen können wie sie das entscheidende Gericht auch hinsichtlich Art und zeitlichem Umfang der Nutzung des Anschlusses durch weitere Mitnutzer annimmt. Keinesfalls aber treffen den Inhaber eines familiären Internetanschlusses die Aufklärungspflichten eines Transporteurs bei Verlust oder Beschädigung von Transportgut. Der Sachverhalt ist schon deswegen nicht vergleichbar, weil die Familie unter dem besonderen Schutz des Art. 6 GG steht und dieser Schutz seine einfach gesetzliche Ausprägung im Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 ZPO findet. Es würde das Zeugnisverweigerungsrecht und auch den besonderen Schutz des Instituts der Familie ad absurdum führen, wenn den Anschlussinhaber als Vater eine umfangreiche Recherchepflicht innerhalb seiner Familie treffen würde, wer als Täter einer Rechtsverletzung in Betracht kommt. Im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 384 Nr. 1 ZPO erscheint es schon zweifelhaft, ob den Anschlussinhaber die Verpflichtung trifft, das positive Ergebnis einer Befragung, wonach ein naher Familienangehöriger die Täterschaft zugegeben hat, mitzuteilen; keinesfalls treffen den Anschlussinhaber jedoch weitergehende Recherchepflichten, wenn – wie hier – die Befragung das Ergebnis erbracht hat, dass kein Mitnutzer die Rechtsverletzung zugegeben hat. Es ist schon unklar, welche weitergehenden Recherchemöglichkeiten – erst recht gegenüber volljährigen Mitnutzern – bestehen sollen, im Übrigen ist eine weitergehende Druckausübung auf Familienmitglieder, um der Klägerin einen möglichen neuen Anspruchsgegner zu verschaffen, auch unzumutbar, weswegen die sekundäre Darlegungslast entsprechende Maßnahmen auch nicht fordern kann.

Nachdem der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, trifft die Klägerin nun die volle Beweislast für die Täterschaft des Beklagten. Allein das mangelnde Einräumen der Rechtsverletzung durch Mitnutzer lässt nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Rückschluss auf eine Täterschaft des Beklagten als Anschlussinhaber zu; vielmehr ist es ebenso möglich, dass die Mitnutzer die eigene Rechtsverletzung im Hinblick auf eine drohende Inanspruchnahme verleugnen. Soweit die Klägerseite – im Prinzip zulässig – den Beweis dadurch führen will, dass sie die Mitnutzer als Zeugen dafür benennt, dass diese die Rechtsverletzung nicht begangen haben und somit nur noch der Beklagte als möglicher Täter verbleibt, ist ihr die Führung dieses Beweises nicht gelungen, denn sämtliche Zeugen haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und ihrem Auskunftsverweigerungsrecht aus § 384 Nr. 1 ZPO Gebrauch gemacht. Aus dem Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 Abs. 1 ZPO dürfen keine negativen Schlüsse zum Nachteil des Beklagten gezogen werden, denn es handelt sich bei diesem Zeugnisverweigerungsrecht um ein eigenes Recht des Zeugen, das es ihm gerade auf Grund seiner familiären Nähe ersparen soll, gegen seinen Willen in die rechtliche Auseinandersetzung hineingezogen zu werden (Musielak-Huber ZPO § 383 Rn. 10). Auch soweit die Aussageverweigerung auch auf § 384 Nr. 1 ZPO gestützt wird, lässt dies Rückschlüsse auf die Täterschaft des Beklagten nicht zu. Der Grund für die Aussageverweigerung kann ebenso gut darin zu erblicken sein, dass der hiervon Gebrauch machende Zeuge sich selbst oder einen anderen Familienangehörigen vor einer Inanspruchnahme schützen will.

Auch eine Störerhaftung des Beklagten aus §§ 97 Abs. 1, 97a UrhG auf Erstattung der Abmahnkosten besteht nicht. Eine solche setzt das Vorhandensein von Überwachungspflichten voraus (BGH NJW 2010, 2061), diese ergeben sich jedoch nicht bereits aus der Anschlussinhaberschaft als solches, sondern bestehen nur in dem Umfang, wie sie sich aus anderen Vorschriften, insbesondere der zivilrechtlichen Aufsichtspflicht, ergeben (BGH NJW 2013, 1441 (1444)). Nachdem zivilrechtliche Aufsichts- und Überwachungspflichten und damit auch die Pflicht zur Belehrung hinsichtlich des Verbots von Urheberechtsverletzungen weder gegenüber der Ehefrau, noch gegenüber volljährigen Kindern bestehen, besteht kein Raum für eine Störerhaftung

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.005 EUR festgesetzt.